Frankfurt am Main und die Region stecken voller Medizingeschichte. Das zeigt auf eindrucksvolle Weise das jüngst erschienene Buch des ehemaligen Chefarztes der Chirurgie am Klinikum Frankfurt Höchst Prof. Dr. med. Wolf Stelter. „Mein Beruf ist mein Hobby!“ Darüber begann Stelter im Jahr 2013, nach einer Querschnittslähmung, seine bewegenden Erinnerungen in schlaflosen Nächten niederzuschreiben. Ende September präsentierte er nun – auf Einladung des Gesundheitsnetzwerkes Rhein-Main e.V. und des AIG Hilbinger Verlags – im Plenarsaal des Frankfurter Römer sein Buch „Der Patron – Zeitzeuge unter Giganten“.
Auf 460 Seiten, in liebevoll-hochwertigem Einband aus Leinen, gibt Professor Stelter einem breit gestreuten Leserkreis in 60 lockeren Episoden einen Einblick in Erlebnisse, Begegnungen und Erkenntnisse aus 47 Jahren Krankenhaustätigkeit. Seine unvergleichlichen Begegnungen und die Arbeit mit Großen, mit Giganten in der Medizin, seine Beteiligung bei revolutionären Entwicklungen der Chirurgie, seine „bestmögliche Ausbildung“, die ihn möglichst vor Fehlern schützen sollte, und seine originellen Beobachtungen sprechen anregend und fesselnd einen Leserkreis an, der vom Medizinstudenten und Medizinhistoriker über spezialisierte Fachkollegen bis zu interessierten Mitbürgern reicht.
Die Gäste, unter ihnen zahlreiche Wegbegleiter und Zeitzeugen Stelters, wie Umweltdezernentin Rosemarie Heilig, Gesundheitsdezernent Stefan Majer sowie Martin Menger, Geschäftsführer der Kliniken Frankfurt-Main-Taunus, waren begeistert von Stelters lebendiger Art zu schreiben und auch zu lesen. So sind eigenes Erleben und Beobachtungen im Buch locker vermischt mit sachlichen Beschreibungen von fachlichen Neuerungen. Berichtet wird u.a. über Professor Stelters ersten Einsatz auf dem Notarztwagen, wie er in Texas fliegen gelernt und in Frankfurt wieder aufgegeben hat, über die ungewöhnliche Begegnung mit Herrn Stoffers, der Patient mit den sieben Leben und den sieben Frauen, der sein Leben veränderte, über die Etablierung der Neurochirurgie in Höchst Ende der 80er Jahre gegen viele Widerstände sowie die Frankfurts ehemalige Oberbürgermeisterin Petra Roth, die ihm spontan im Höchster OP assistierte.
Der „Patron“ ist das treffende Bild des leidenschaftlichen Chirurgen Stelter, weil er drei für ihn wichtige Aspekte verkörpert: Der Chirurg arbeitet fein, er trägt eine Lupenbrille. Er hält sein Ego hinter einer Maske zurück, es darf keine Rolle spielen. Und: der Chirurg blickt sein Gegenüber einladende freundlich an, signalisiert aber zugleich „Mach mir nichts vor.“
Professor Dr. med. Wolf-Joachim Stelter ist 1942 in Bad Nauheim geboren und in Friedberg in Hessen aufgewachsen. Er ist Arzt in der 4. Generation. Er hatte persönliche Beziehungen als Schüler und Assistent zu internationalen Größen, die häufig heute nur noch als historisch bekannt oder fast vergessen sind.
Seine zweijährige, heute abgeschaffte Pflichtzeit als Medizinalassistent begann Stelter auf einer großen kardiologischen Station in Berlin-Neukölln, wo er 1967 die durch die Mauer geteilte Stadt erleben wollte. In Düsseldorf lernte er den Nobelpreisträger für Medizin, Werner Forßmann, persönlich kennen, und in Köln traf er 1969 auf seinen chirurgischen Lehrer Georg Heberer, der ihn nach Houston/Texas zu Michael DeBakey, dem größten Gefäß- und Herzchirurgen aller Zeiten, schickte, und der ihn 1973 auf den begehrten Lehrstuhl in München mitnahm.
Auf allen Sprossen seiner Erfolgsleiter hatte Stelter spannende Erlebnisse mit Pionieren seines Faches und machte Erfahrungen, die er erfolgreich für seinen Beruf nutzte. So bot er sich 1975 dem weltbekannten Trachealchirurgen Hermes Grillo in Boston in einer Notsituation beherzt als Assistent an und wurde dadurch in das Geheimnis der Resektion der Luftröhre eingeweiht, was ihn zuhause zum erfolgreichsten Chirurgen seiner Zeit in dieser Spezialität werden ließ.
1984 wurde Stelter zum Chefarzt in den großen Städtischen Kliniken Frankfurt Höchst berufen. Es ist interessant zu lesen, wie er unter den besonderen Umständen einer wechselnden Stadtpolitik seine Abteilung zum Erfolg führen konnte.
1989 überzeugte ihn auf einer kleinen Arbeitstagung ein französischer Kollege von der Möglichkeit der Gallenblasenentfernung auf laparoskopischem anstatt dem herkömmlichen offenen chirurgischen Weg, woraufhin er diese „Minimal Invasive Chirurgie“ gegen allseitige Widerstände konsequent zu bald überall nachgeahmtem Erfolg führte.
1994 implantierte er zur Abdichtung der Hauptschlagader ein von ihm erdachtes Muster einer sogenannten Modularen Stentprothese, die in ihrer konsequenten Entwicklung die Gefäßchirurgie revolutionierte.
Stelter blieb bei all den Erfolgen der zugewandte Allgemeinchirurg für seine Patienten, die er als Chefarzt, als „Patron“, wie er sich am liebsten nennen ließ, in einem großen Städtischen Lehrkrankenhaus mit einem loyalen Team betreuen konnte. Er zeigt, dass man zum Erfolg in seinem Fach neben viel Glück auch einen Blick für günstige Gelegenheiten nutzen kann, neue Ideen in die Tat umzusetzen.
„Der Patron – Zeitzeuge unter Giganten“ erschien im AIG Hilbinger Verlag unter der ISBN 978-3927110-37-3 und kostet 28 EUR.